Der Überfall auf einen Goldtransporter bei Ludwigsburg ist filmreif. Als Polizisten der Steuerfahndung verkleidet, lotst eine Bande den Wagen aus Neumarkt in der Oberpfalz im Dezember 2009 von der Autobahn 81 bei Ludwigsburg und geradewegs in die Falle. Den Fahrer und seinen Begleiter fesseln sie unter einer Brücke mit Handschellen und setzen die beiden geschockten Männer in einem Waldstück bei Heilbronn aus. Dann machen sich die Goldräuber mit dem Besitz eines Nürnberger Schmuckhändlers aus dem Staub. Im Gepäck: 120 Kilo Schmuck und Zahngold im Wert von schätzungsweise rund 1,7 Millionen Euro.
Als der leer geräumte Goldtransporter am Abend an der Autobahn bei Mundelsheim gefunden wird, sind die Räuber bereits auf der Flucht über Moskau in den Irak. Aber es ist eine Sackgasse: Denn sie haben Spuren an einer Handschließe hinterlassen, die sie verraten.
Mehr als elf Jahre ist das schon her – und fast alle Goldräuber, darunter der populäre Gangster-Rapper «Xatar», saßen für den Beutezug bereits hinter Gitter. Und doch ist das juristische Nachspiel vor dem Landgericht noch nicht zu Ende. Denn in den kommenden Monaten muss sich ein mutmaßlich siebter Täter vor dem Landgericht in Stuttgart verantworten.
Sechs Männer sind für den Raub bereits zu Haftstrafen zwischen vier und neuneinhalb Jahren verurteilt worden. Auch ihr mutmaßlicher Komplize, ein 36-Jähriger aus dem Raum Bonn (Nordrhein-Westfalen), stand nach Angaben der Staatsanwaltschaft von Anfang an im Verdacht, zumindest sein Fahrzeug für die Tat zur Verfügung gestellt zu haben. Allerdings hatte sich dies damals nicht hinreichend erhärten lassen, das Verfahren wurde im August 2010 eingestellt.
Das änderte sich in den folgenden Jahren. Denn in den Verhandlungen gegen seine mutmaßlichen damaligen Komplizen fiel auf, dass der Deutsche mit kirgisischen Wurzeln wohl doch wesentlich stärker in den Überfall eingebunden sein könnte als bislang gedacht. Die Auswertung von Mobilfunkdaten habe gezeigt, dass sich der Mann zu relevanten Zeitpunkten stets in der Nähe der anderen Täter aufgehalten haben soll, sagte die Sprecherin der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Melanie Rischke. Das Problem: «Für die eigentliche Tat gibt es jedoch keine Daten», räumt sie ein. Und der 36-Jährige bestreitet die Vorwürfe.
Dennoch wurde im Juli 2013 Anklage erhoben. Denn die Ermittler sind sicher: der Mann aus dem Rheinland ist damals mit einem weiteren Täter dem Goldtransport von Nürnberg aus gefolgt, er war während der fingierten «Kontrolle» mit dabei, hat den Schmuck und das Gold auf einem Parkplatz in sein Auto verladen und ist damit Richtung Bonn geflüchtet.
Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft ist der Mann der einzige Tatverdächtige, gegen den im Zusammenhang mit dem Goldraub noch ermittelt wird. Denn der mutmaßliche achte Täter war 2010 so schwer erkrankt, dass er für verhandlungsunfähig erklärt wurde. Er soll den Goldräubern den entscheidenden Tipp gegeben haben.
Und die Beute? Verschwunden. Spurlos. Alle Angeklagten hatten im Prozess dazu geschwiegen. Sie wollen die wertvolle Fracht einem unbekannten Mann übergeben haben und dafür jeweils einige Tausend Euro kassiert haben.
Zumindest dem Rapper «Xatar» («Baba aller Babas») scheint die Zeit auf der Stuttgarter Anklagebank und in der Stammheimer Gefängniszelle nicht geschadet zu haben: Er gilt heute als eine der mächtigsten und schillerndsten Figuren der deutschen Rap- und Hip-Hop-Szene. Der gebürtige Iraker ist erfolgreicher Musikproduzent, Verleger und natürlich Rapper, er besitzt eine Shisha-Bar, einen Imbiss, ist mit einer eigenen Tabak-Marke unterwegs und ist ins Schmuck- und Kleidungsdesign eingestiegen. Und «Xatar» könnte schon bald zum Filmstar werden. Denn der Regisseur Fatih Akin («Der goldene Handschuh») will seinen Werdegang unter dem Titel «Rheingold» verfilmen, basierend auf seiner Biografie «Alles oder Nix» von 2015.
«Xatars» Name dürfte abseits der Musikszene schon bald auch vor dem Landgericht in Stuttgart wieder eine Rolle spielen. Am Dienstag kommender Woche (2. März) soll er selbst als Zeuge aussagen. Vor der 17. Großen Strafkammer sind nach dem Auftakt mindestens 16 weitere Prozesstage geplant. Mit einem Urteil wird nicht vor Mitte September gerechnet.